Wie ein
lübeckischer Ratsherr einen Bauern hereinlegte und was der Kater des Bauern
daraufhin tat:
In dem Dorf Lauen, in Mecklenburg, lebte einst ein
Bauer, der schon seit langem Witwer war. Er hatte eine kleine Kate und ein paar
Hühner. Sein einziger Lebensgefährte war ein Kater namens Karo. Mit dem
unterhielt er sich manchmal abends, wenn es gar zu einsam war.
Gar nicht
selten antwortete ihm der Kater auch. Kater Karo wußte seit dem Tod der Bäuerin,
daß er auf den Bauer aufpassen mußte, denn der hatte gelegentlich einen ziemlich
verhängnisvollen Drang zum Leichtsinn.
Wenn nun die Hühner des Bauern
genügend Eier gelegt hatten, dann packte er sie in eine Kiepe und ging mit ihnen
auf die Märkte der Umgebung, um sie zu verkaufen. So war es auch dieses Mal.
Die Hühner waren besonders fleißig gewesen. Sie hatten zehn Dutzend Eier
gelegt, einhundertzwanzig Stück. Das würde ein schönes Geld bringen, sagte der
Bauer zu seinem Kater Karo, als er sich auf den Weg nach Lübeck machte. Er
ermahnte den Kater, gut aufs Haus aufzupassen. Am Abend werde er wieder zurück
sein "und wenn ich alles gut verkauft habe, werde ich dir auch einen
Leckerbissen aus der Stadt mitbringen", versprach der Bauer. Dann ging er.
Auf dem Markt in Lübeck angekommen, bot der Bauer seine Eier an. Als nun
aber ein würdevoller lübeckischer Ratsherr zufällig des Weges kam, da ritt den
Bauern der Schalk. "Hoher Herr", rief er, "wenn ich mich nicht irre, so sind Sie
doch ein lübeckischer Ratsherr, nicht?"
"Ja", sagte der Ratsherr. "Nun",
sagte der Bauer, "wenn Sie ein Ratsherr sind, dann können Sie sicher gut raten"?
"Ja", sagte der Ratsherr, "was soll ich denn raten?" - "Seht Ihr hier die
Kiepe voll Eier?" sagte der Bauer. "Die sehe ich wohl", sagte der Ratsherr.
"Nun denn. Ratet doch mal, wie viele Eier ich hier in dieser Kiepe habe?
Wenn Ihr falsch ratet, kriege ich von Euch zehn Taler, ratet Ihr aber richtig,
sollen Euch die 120 Stück Eier in diesem Korb gehören."
Einen Moment lang
wußte der Ratsherr nicht, ob der Bauer nur einen Scherz mit ihm machen wollte
oder ob er einfach plump und ungeschickt war. Aber dann sagte er: "Nun gut, dann
laßt mich raten. In deinem Korb, schätze ich, sind zehn Dutzend Eier,
hundertzwanzig Stück. Ist das richtig?" - "Hol's der Deubel", sagte der Bauer,
"jetzt gehören Ihnen die Eier. Wer hätt' gedacht. daß Sie so gut raten können."
"Ja", sagte der lübeckische Ratsherr und er kam sich sehr überlegen vor,
"wir Ratsherren wissen mehr als andere." Dann packte er die Eier ein, alle
hundertzwanzig Stück und ging mit erhobenem Haupte davon. Er hatte ein gutes
Geschäft gemacht und der dumme Bauer hatte sich selbst gehörig hereingelegt. Der
Bauer war sehr betrübt.
Mit dem leeren Korb auf dem Rücken und ohne Erlös
ging er heim in sein mecklenburgisches Dorf. Er konnte sich gar nicht recht
erklären, wie es zu einem derartigen Reinfall kommen konnte. Als der Bauer mit
seinem traurigen Gesicht auf das Gehöft zurückkehrte, saß der schwarze Kater
Karo da und maunzte: "Naaah?" - "Ach, Kater Karo", sagte der Bauer, "ich habe
alles verspielt." Er erzählte dem Kater, wie es ihm mit dem lübeckischen
Ratsherren gegangen sei. Der Kater kratzte sich ein paar Mal mit den Pfoten
hinter den Ohren und schüttelte den Kopf, als der Bauer so erzählte. "Und nicht
mal einen Leckerbissen konnte ich Dir mitbringen", schloß der Bauer. "Laß man",
sagte der Kater, "wenn wieder Markttag in Lübeck ist, holen wir uns alles zurück
und noch mehr."
Knapp zwei Wochen später sagte eines Abends der Kater zum
Bauern: "Morgen ist wieder Markt in Lübeck." - "Aha" murmelte der Bauer. "Hol
aus dem Schuppen den zerlöcherten alten Sack", sagte der Kater. "Nun, wenn Du
willst, dann werde ich den Sack aus dem Schuppen holen, aber was soll ich
damit?" - "Du wirst schon alles rechtzeitig erfahren", sagte der Kater, "vor
allem tu, was ich dir geheißen habe."
Am nächsten Morgen sagte er zu dem
Bauern: "Hol die ersparten zwanzig Taler aus dem Dielenboden, wo du sie
versteckt hast und stecke sie ein und tu genau, was ich dir sage." Der Bauer
holte sein ganzes Ersparnis aus dem Versteck unter einem der Dielenbretter.
"Jetzt öffne den Sack und laß mich reinschlüpfen", sagte der Kater. Der Bauer
öffnete den Sack und der Kater schlüpfte rein.
"Jetzt nimm den Sack auf den
Buckel und geh' nach Lübeck auf den Markt", sagte der Kater. Der Bauer nahm den
Sack mit dem Kater auf den Rücken und ging mit ihm nach Lübeck auf den Markt.
Als sie angekommen waren, flüsterte der Kater aus dem Sack: "Jetzt warte auf den
Ratsherren und wenn er kommt, wette mit ihm um zwanzig Taler, daß er nicht
errät, was in diesem Sack ist." - "Ja, Kater Karo, das mache ich", sagte der
Bauer, der nichts ahnte. "Und denke daran, daß ich dein Kater bin", flüstert
Karo aus dem Sack. "Ja, Kater Karo", sagte er.
Nach einer Weile kam der
lübeckische Ratsherr über den Markt geschlendert. Da winkte ihn der Bauer schon
von weitem heran und rief laut: "Ratsherr, mein lieber Ratsherr, habt Ihr nicht
Lust, mal wieder zu raten?" - "Ja", sagte der Ratsherr, "ich hätte schon Lust
aber worum wollen wir denn diesmal wetten?"
"Ich wette mit dir um zwanzig
Taler, daß du nicht rätst, was ich hier im Sack habe", sagte der Bauer. In
diesem Augenblick steckte der Kater durch das eine Loch im Sack eine Hinterpfote
und durch ein anderes Loch ließ er seinen Schwanz heraushängen.
"Hast du
denn zwanzig Taler?" fragte der Ratsherr mißtrauisch. Da langte der Bauer in
seine Tasche und legte sein ganzes erspartes Geld auf den Verkaufstisch. "Nun
denn", sagte der Ratsherr und legte ebenfalls einen Sack mit zwanzig Talern auf
den Tisch. "Dann will ich raten. In dem Sack ist eine Katze."
"Nein, nein,
Ratsherr", lachte der Bauer, "diesmal hast du falsch geraten, in dem Sack ist
nämlich mein Kater. Karo heißt er und ist ein kluges Tier und deswegen gehören
deine zwanzig Taler jetzt mir."
Er schob das Geld ein, nahm den Sack mit dem
Kater über die Schulter und ging heim - das Geld für die verlorenen Eier aus der
ersten Wette hatte er um ein Mehrfaches wieder eingenommen. Kater Karo aber
belohnte der Bauer mit einem gebratenen Hühnerbein.